Deutsche Bahn muss Entschädigung wegen fehlender dritter Geschlechtsoption zahlen

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Kernaussage der Entscheidung
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Sachverhalt
Hintergrund des Verfahrens ist, dass die Deutsche Bahn in ihrem Bestellformular die Anrede als Pflichtfeld gestaltet hat und dort lediglich die zwei Optionen „Herr“ und „Frau“ zur Auswahl gestellt hat. Aufgrund dieser Auswahl wurden dann auch die E-Mails entsprechend gestaltet.
Um überhaupt ein Ticket buchen zu können, wählte die klagende Person die Anrede „Herr“ und wurde auch entsprechend in den direkten Nachrichten als „Herr so-und-so“ angesprochen.
Die klagende Person sah hierin eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes, da sie als nichtbinär gilt.
Die Entscheidung
Während das LG einen Schadensersatzanspruch noch ablehnte, gestand das OLG der klagenden Person nun eine Entschädigung in Höhe von 1.000 Euro zu.
„Die Zuschreibung von Männlichkeit“ seitens der Deutschen Bahn habe laut Gericht zu einer psychischen Belastung geführt. Dabei wurde allerdings berücksichtigt, dass die Deutsche Bahn keinerlei Vorsatz hatte, die klagende Person individuell zu benachteiligen.
Auf der anderen Seite hat die Deutsche Bahn – anders als andere große Unternehmen – bisher keine Anpassung vorgenommen, obwohl die dritte Option bereits seit Ende 2018 auch per Gesetz existiert. Ebenfalls nachteilig wirkte sich der Umstand aus, dass die klagende Person auf ihrer Bahncard ebenfalls noch immer als „Herr“ angesprochen wird.
Hinweis für die Vorstandsarbeit
Auch in der Vereins- und Verbandsarbeit sollten die Regelungen des AGG beachtet und umgesetzt werden, nicht zuletzt, um Schadensersatzansprüche abzuwenden.
Auswirkungen in der Praxis:
Satzung – Mitglieder – Organmitglieder
- Geschlechtsneutrale Formulierung von Satzungsämtern
- Neutrale Formulierung bei der Aufnahme von Mitgliedern
- Gleichbehandlung von Eheleuten und Lebenspartnern im Beitragswesen
- Quotenregelungen bei Besetzung von Satzungsämtern?
Arbeitsrecht
- Geschlechtsneutrale Stellenausschreibungen
Zugang zu Veranstaltungen und Wettbewerben
- Keine Altersdiskriminierung bei der Teilnahme an Veranstaltungen
- Teilnahme am Training
Vertragsgestaltung und allgemeine Geschäftsbedingungen im Verein
- Neutrale Formulierung von Verträgen (z. B. Fitnessstudio, Teilnahme an Kursen und Veranstaltungen)
- Neutrale Gestaltung von AGG (z. B. Nutzung des Fitnessstudios und Teilnahmebedingungen an Kursen).
Fundstelle: Oberlandesgericht Frankfurt (OLG), Urteil v. 21.06.2022, Az.: 9 U 92/20