Ab welchem Zeitpunkt kann die Gemeinnützigkeit aberkannt werden?

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Um was geht es in diesem Fall?
Ein Verein hatte seine Satzung geändert und die neuen Formulierungen entsprachen nicht der Steuer-Mustersatzung nach § 60 AO. Aus Sicht des Finanzamts verfolgte daher der Verein keine steuerbegünstigten Zwecke mehr und das Finanzamt erkannte folglich dem Verein die Gemeinnützigkeit ab.
Kern des Streits vor dem BFH war allerdings nicht die Frage nach dem „ob“, sondern nach dem „wann“:
- Denn der Verein war der Ansicht, dass der Entzug der Gemeinnützigkeit frühestens mit der Eintragung der Satzungsänderung in das Vereinsregister hätte erfolgen dürfen,
- dagegen vertraten das Finanzamt und das Finanzgericht Berlin-Brandenburg die Auffassung, dass der Entzug bereits mit dem zeitlich vorgelagerten Beschluss der Satzungsänderung in der Mitgliederversammlung zu erfolgen habe.
Wie ist die Rechtslage?
Der BFH kam zu dem einzig richtigen Ergebnis, dass der Moment, ab dem das Finanzamt die Gemeinnützigkeit aberkennen kann, ausschließlich nach den vereinsrechtlichen Regelungen zu bestimmen ist.
Eine Aberkennung der Gemeinnützigkeit ist danach erst dann möglich, wenn eine erhebliche Änderung der Verhältnisse des Vereins, zum Beispiel durch die Satzungsänderung, eingetreten ist. Allein durch den Beschluss einer Satzungsänderung treten jedoch noch keine erheblichen Änderungen der Verhältnisse ein, da weiterhin die alte Satzung im Innenverhältnis zu den Mitgliedern und im Außenverhältnis zu Dritten seine Wirkung entfaltet.
Nach § 71 Abs. 1 BGB wird eine Satzungsänderung erst mit Eintragung in das Vereinsregister im Innen- und im Außenverhältnis wirksam, sodass auch erst ab diesem Zeitpunkt eine erhebliche Änderung der Verhältnisse festgestellt werden kann.
§ 60a AO. Feststellung der satzungsmäßigen Voraussetzungen (1) 1 Die Einhaltung der satzungsmäßigen Voraussetzungen nach den §§ 51, 59, 60 und 61 wird gesondert festgestellt. 2 Die Feststellung der Satzungsmäßigkeit ist für die Besteuerung der Körperschaft und der Steuerpflichtigen, die Zuwendungen in Form von Spenden und Mitgliedsbeiträgen an die Körperschaft erbringen, bindend. (2) … (3) … (4) Tritt bei den für die Feststellung erheblichen Verhältnissen eine Änderung ein, ist die Feststellung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben. … |
MERKE
Zu beachten ist allerdings, dass der Zeitpunkt, ab wann das Finanzamt die Gemeinnützigkeit aberkennen kann, streng von dem Zeitraum, für den die Aberkennung der Gemeinnützigkeit erfolgt, abzugrenzen ist. Die Aberkennung erfolgt nämlich rückwirkend für das jeweilige Jahr, in dem die Satzungsänderung wirksam durchgeführt wurde.
Hinweise für die Vorstandsarbeit
Solch unnötige Rechtsstreitigkeiten mit dem Finanzamt lassen sich in der Praxis vermeiden, wenn eine vorausschauende Satzungsgestaltung geplant und vorbereitet wird, die alle rechtlichen und steuerrechtlichen Aspekte berücksichtigt. Insbesondere gilt der Grundsatz, dass sich die Satzung eines gemeinnützigen Vereins stets an den Formulierungen der Steuer-Mustersatzung nach § 60 AO zu orientieren hat.
Zwar ist der Wortlaut der Steuer-Mustersatzung rechtlich nicht verbindlich. In der Praxis ist ein Verein jedoch gut beraten, wenn er sich an diese Formulierungen hält und geplante Änderungen der Satzung rechtzeitig im Vorfeld mit dem Finanzamt abstimmt.
Fundstelle: Bundesfinanzhof (BFH), Urteil vom 23.07.2020, Az.: V R 40/18