Autor: Prof. Gerhard Geckle | 23.04.2020

Zur Haftung bei privater sportlich angelegter Fahrrad-Trainingsfahrt

Immer wieder kommt es auch bei privat durchgeführten Fahrradtouren zu erheblichen Verletzungen bei Unfällen. Eine 17-köpfige Fahrradgruppe machte eine Radtour. Als einer der teilnehmenden Radfahrer auf einer Abwärtsstrecke zwei weitere Teilnehmer überholte, dabei mit dem Fahrrad eines weiteren Teilnehmers kollidierte, kam es zu einem Massensturz – mit gravierenden Folgen.
Bild: HG-Lighthouse

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Denn einer der gestürzten Radfahrer zog sich schwere Verletzungen zu, mit der Klage wurden gegenüber dem den Unfall verursachenden Radfahrer wegen seines Überholmanövers Schadenersatzansprüche wegen der Behandlungs- und Lohnausfallkosten geltend gemacht.

Das Oberlandesgericht stellte hierzu in dem abgeschlossenen Berufungsverfahren fest, dass auch bei sportlich angelegten Fahrradtouren grundsätzlich ein Mindestsicherheitsabstand zu anderen Beteiligten einzuhalten und damit die im Verkehr erforderliche Sorgfalt zu beachten sei.

Denn auch bei Überholmanövern muss ein ausreichender Abstand zu anderen Fahrern bestehen, eine Lenkerbreite von ca. 45 cm genügt hierfür nicht, gerade wenn es sich um einen Überholvorgang bei einer Abwärtsstrecke handelt und zudem bei enger Fahrbahn auf etwaige Schlenker der anderen Mitfahrer geachtet werden muss.

 

Eine (mögliche) Haftungsbeschränkung – etwa nach der BGH-Rechtsprechung, wie bei sportlichen Wettbewerben (Urteile v. 29.01.2008, VI ZR 98/07 und v. 01.04.2003, VI ZR 321/02) – kam für diesen Regressfall vor Gericht nicht in Betracht. Denn auch bei der Beteiligung an einer nach Regeln gemeinsam betriebenen gefährlichen sportlichen Tätigkeit gilt der Grundsatz, dass jeder Teilnehmer durch die typischen Risiken in gleicher Weise betroffen ist und es mehr oder weniger vom Zufall abhängt, ob man selbst bei Rennfahrten zu Schaden kommt oder anderen einen Schaden zufügt. Diese Grundsätze gelten z. B. auch beim Radfahren im Pulk bei einer Trainingsfahrt und auch bei touristisch organisierten Radfahrten.

 

Diese für sportliche Betätigungen mit Wettkampfcharakter geltenden Grundsätze führten jedoch im Streitfall nicht zu einer Haftungsbeschränkung, denn der Unfall mit Sturz hat sich gerade nicht als typisches Risiko während der gemeinsamem Fahrt im Pulk realisiert.  Der Sturz war nachweisbar nicht darauf zurückzuführen, weil man als typisches Risiko am Pulkfahren teilgenommen hatte und im Windschatten mit geringem Abstand zueinander oder hintereinander fuhr. Der Sturz trat vielmehr in der Ruhephase nach gemeinsamer Ausfahrt erst ein, bei der man sich gerade nicht wie beim Pulkfahren dem Risiko eines plötzlichen Überholens ohne ausreichenden Abstand aussetzen wollte.

Das OLG gab – wie zuvor das LG Frankfurt – der Klage vollumfänglich statt.

Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt, Urteil vom 12.03.2020, 1 U 31/19

 

Hinweis: Da es keine generelle Haftungsbeschränkung für die gemeinsamen privaten sportlichen Trainingsfahrten gibt, sollte ergänzend zuvor stets geprüft werden, ob nicht die einzelnen (privaten) Radfahrer über eine Haftpflichtversicherung verfügen. Denn diese kann gerade bei dem Fahrlässigkeitsvorwurf und drohenden Schadenersatzansprüchen persönlich weiterhelfen – denn nur bei einer vorsätzlichen Herbeiführung des Schadensfalls entfällt der Versicherungsschutz, nicht schon bei grober Fahrlässigkeit.