Autor: Prof. Gerhard Geckle | 17.07.2024

Fallen die Vorgaben zur zeitnahen Mittelverwendung weg?

Das Bundesfinanzministerium hat den neuen Entwurf eines weiteren Jahressteuergesetzes (JStG II) zur parlamentarischen Beratung eingebracht.
Bild: Adobe Stock, Inc.

Bild: Adobe Stock, Inc.

Neben zahlreichen Steuersenkungen wie ein geänderter EST- Tarif, Erhöhung Kindergeld u.a.  sind für die Vereinsbesteuerung die geplanten Änderungen im Bereich des Gemeinnützigkeitsrechts von besonderem Interesse, jedoch leider relativ bescheiden.

 

Dazu sieht dieser Entwurf des JStG2 vor, dass

  • § 55 Abs. Nr. 5 der Abgabenordnung (AO) künftig gestrichen wird. Dies betrifft die gerade im Gemeinnützigkeitsrecht bisherige strenge Vorgabe, dass gemeinnützige Vereine oder auch andere Gesellschaftsformen/Organisationen vorhandene Geldmittel zeitnah für gemeinnützige Zwecke ausgeben müssen. Zeitnah bedeutet bisher, die Verwendung vorhandener Überschüsse innerhalb von 2Jahren. Es sei denn, es wurden zulässige Rücklagen gebildet. Ab 2025 soll diese Pflicht zur zeitnahen Mittelverwendung abgeschafft werden. Die Finanzämter sollen dann entsprechend vorhandenen Aufzeichnungen in der Körperschaft prüfen, ob gegen die Gemeinnützigkeit verstoßen wird.
  • Mit einer kleinen Ergänzung zu § 55 Nr. 11 AO -neu- kommt eine Klarstellung, dass auch steuerbegünstigte Körperschaften gelegentlich zu tagespolitischen Themen sich äußern und Stellung nehmen dürfen. Dies muss der Zweckverfolgung untergeordnet sein, keinesfalls die Unterstützung von Parteien. Dies ist eine geplante Umsetzung der neueren BFH - Rechtsprechung. Schon bislang werden allgemeine Aufrufe oder Stellungnahmen von Sportvereinen/ Verbänden gegen Rassismus u.a. toleriert, ohne weitere gemeinnützigkeitsrechtliche Konsequenzen.

 

 Fundstelle: BMF, Entwurf Jahressteuergesetz 2024 II.

 

 

Anmerkung

 

Leider sieht man bislang im Bereich der Vereinsbesteuerung in diesem aktuellen Gesetzentwurf nur diese wenigen AO- Änderungen vor. Zwar ist die Abschaffung der 2-Jahresfrist sicherlich zu begrüßen.

Somit kommt künftig nun ohne genaue zeitliche Vorgabe die zulässige Mittelverwendung.

Aber schon zum Nachweis der künftigen Zweckverwirklichung vorhandener Geldreserven bleibt sicherlich die Rücklagenbildung per Vorstandsbeschluss als dokumentierter Nachweis erhalten.

Sieht man von kleineren Vereinen ab, die bereits jetzt bei einer Gesamteinnahme pro Jahr unter 45.000 Euro auf diese bisherige zeitliche Bindung zur Verwendung von erzielten Einnahmen und Überschüssen verzichten konnten.

 

Sicherlich wird man erst nach der Sommerpause/ im Spätherbst ersehen können, ob diese AO-Änderungen kommen werden.

Absehbar ist leider derzeit, dass die lange erwartete Reform des Gemeinnützigkeitsrechts wohl erst im Jahr 2025 kommen wird. 

 

 

Die Bundesregierung: neues komplexes Steuergesetz!

 

Über den Entwurf zum Jahressteuergesetz II 2024 wurde berichtet, siehe die Infos davor/oben.

 

Nunmehr hat die Bundesregierung auf den Gesetzentwurf des Bundesfinanzministeriums reagiert und ein noch etwas komplexeres neues Artikel-Gesetz vorgelegt, in das auch der Entwurf des Jahressteuergesetzes II eingebracht und mit übernommen wurde.

 

Das neue Gesetz zur Fortentwicklung des Steuerrechts und zur Anpassung des Einkommensteuertarifs (Steuerfortentwicklungsgesetz) enthält eine Vielzahl von Steueränderungen und Änderung von 30 geltenden Steuergesetzen.

Vereinsrelevant sind hierbei nach wie vor die wichtigen, die Abgabenordnung (AO) und damit das Gemeinnützigkeitsrecht betreffenden Änderungen und Neuvorgaben:

 

  • Unabhängig von der Fortführung des Gesetzgebungsverfahrens unter dieser neuen Bezeichnung soll mit Wirkung ab 1.1.2025 die bisher in § 55 Abs.1 Nr.5 AO enthaltende Pflicht und Grundsätze zur zeitnahen Mittel-Verwendung bei steuerbegünstigten Körperschaften komplett dann gestrichen werden. Vereine, Verbände oder auch andere gemeinnützige Körperschaften müssen daher keine Mittelverwendungsrechnung durchführen.  Allerdings bleibt es der Überprüfung durch die Finanzämter vorbehalten, ob eine gemeinnützige Körperschaft tatsächlich nach Satzungsvorgaben gemeinnützig tätig ist und wie diese Körperschaft, z.B. der gemeinnützige Verein, seine vorhandenen Mittel einsetzt. Es bleibt dabei auch bei dem Grundsatz nach der Steuermustersatzung und § 56 AO zum Grundsatz der ausschließlichen Verwendung für gemeinnützige Zwecke. Damit fallen die bisherigen Zeitvorgaben mit 2 Jahren Zeit zur Mittelverwendung weg. Dennoch müssen nach wie vor die vorhanden Vereinsmittel wie spenden, Beiträge, Zuschüsse und auch die Erträge aus der Vermögensverwaltung und dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zeitnah ohne genau Vorgaben für steuerbegünstigte Satzungszwecke ausgegeben werden. Es wird daher auch erwartet, dass die gemeinnützigen Körperschaften mit Rücksicht auf das eigenen Spendenaufkommen und dem Interesse von Spendern zur Unterstützung des Vereins etc., es zu einem zügigen Einsatz der eingeworbenen Mittel zur Förderung steuerbegünstigter Zwecke kommt. Langfristiges „Horten“ von Vereinsvermögen/Geldern geht daher nach wie vor nicht. Möglicherweise kommt dazu unabhängig von der Gesetzesänderung noch eine Verwaltungsanweisung im AEAO. Die Streichung der Zeitvorgaben bei der Mittelverwendung soll ab 1.1.2025 gelten.

 

  • Über eine neue Regelung (§ 68 Nummer 2 Buchstabe b) soll der Betrieb von Photovoltaikanlagen auch im Gemeinnützigkeitsrecht berücksichtigt und zugelassen werden. Wobei die Installation von Photovoltaikanlagen auch bei Vereinen und Verbänden einen Beitrag zu erneuerbaren Energiequellen und Beschleunigung der Energiewende führen kann. Der Begriff der Selbstversorgungseinrichtungen soll dabei um die Photovoltaikanlagen als ebenfalls gemeinnützige und steuerbegünstigter Zweckbetrieb ergänzt werden. Wobei es um Anlagen gehen muss, die nicht in den steuerpflichtigen Anwendungsbereich des § 3 Nr. 72 EStG fallen, also bei überwiegender Selbstnutzung (mindestens 80 %). Eine Satzungsänderung von steuerbegünstigten Organisationen ist nicht zwingend notwendig, wenn die Anlage die Selbstversorgung dient und damit die Satzungszwecke fördert. Diese Vereinfachungsregelung soll auch zum 1.1.2015 in Kraft treten.

 

  • Weiterhin wird über eine Ergänzung des § 58 Nr.11 AO klargestellt, und damit auch zugelassen, dass steuerbegünstigte Körperschaften auch gelegentlich zu tagespolitischen Themen Stellung nehmen dürfen, ohne damit gemeinnützigkeitsrechtliche Verstöße zu riskieren; soweit ein besonderer Anlass dafür erkennbar und gegeben ist. Wobei es auch noch unschädlich sein kann, wenn z.B. ein Verein aufgrund eines besonderen Anlasses Äußerungen hierzu wiederholt, selbst bei einem Zeitraum von mehreren Wochen. Gemeinnützigkeitsschädlich wäre es aber nach wie vor, Parteipolitik zu unterstützen oder selbst zu betreiben.  Möglich wäre es somit, so auch die Gesetzesbegründung hierzu, dass ein Sportverein sich mit Aufrufen gegen Rassismus wehrt in der Öffentlichkeit, wenn es z.B. bei einem Fußballspiel zu aktuellen, nicht hinnehmbaren Vorkommnissen gekommen ist.  Damit sind auch einzelne Aufrufe etwa von Sport- oder Musikvereinen für den Frieden, gegen Rassismus möglich, sogar einzelne Aufrufe zur Unterstützung von Friedens- und Antirassismus- Demonstrationen. Diese Ergänzung soll bereits nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens in Kraft treten.

 

Hinweis:

Neben diesen im Entwurf enthaltenen gemeinnützigkeitsrechtlichen Änderungen wird insbesondere das Einkommensteuerrecht bis hin zu einem neuen Taif verbessert, zudem insgesamt damit bei über 30 geltenden Steuergesetzen Änderungen und Verwaltungsvereinfachungen angestrebt.

Mit einer endgültigen Verabschiedung dieses umfangreichen Gesetzespakets ist sicherlich nach Beteiligung auch des Bundesrats erst im Spätherbst 2024 zu rechnen.

 

 

Quelle: Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Steuerrechts und zur Anpassung des Einkommensteuertarifs vom 24.Juli 2024 der Bundesregierung.