Autor: Stefan Wagner | 06.06.2023

Müssen (Gegen-)Anträge in der Mitgliederversammlung zugelassen werden?

Um was geht es in diesem Fall? Bei Mitgliederversammlungen ist das Rede- und Antragsrecht der Mitglieder immer wieder ein Streitpunkt. Der Versammlungsleiter muss hier die Rechte der Mitglieder, z. B. auch das Recht auf Stellung von Gegenanträgen, beachten. Wenn die Rechte der Mitglieder hierbei verletzt werden, kann dies zur Unwirksamkeit der Beschlüsse führen.
Bild: Adobe Stock

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Kernaussage der Entscheidung

Den Mitgliedern steht in der Mitgliederversammlung ein umfassendes Antrags- und Rederecht zu. Gegenanträge zu einem Tagesordnungspunkt auf der Mitgliederver­sammlung sind selbst in der Versammlung noch zulässig.

Jeder Redebeitrag oder Antrag eines Mitglieds in der Ver­sammlung kann die Meinungsbildung der Mitgliederver­sammlung beeinflussen.

Nach der sogenannten Relevanztheorie führt daher die Nichtzulassung eines Antrags oder einer Wortmeldung zur Anfechtbarkeit des gefassten Beschlusses.

 

 

 

Sachverhalt

Im Fall des AG sollte eine Satzungsänderung im Rahmen einer virtuellen Mitgliederversammlung beschlossen werden. Der Versammlungsleiter hatte die Rednerliste geschlossen, noch bevor Wortmeldungen möglich waren. Dies war auch gar nicht möglich, da die teilnehmenden Mitglieder alle stummgeschaltet waren. Damit konnten auch keine Gegenanträge gestellt werden.

Ein Mitglied klagte daher gegen den Beschluss über die Satzungsänderung und hatte mit seiner Anfechtung Erfolg, mit der Folge, dass der Verein die Abstimmung über die Satzungsände­rung wiederholen muss, da diese unwirksam war.

 

Die Entscheidung

Der Vorstand hatte argumentiert, dass es auf den Gegenantrag des Mitglieds nicht ankam, da eine deutliche Mehrheit der Mit­glieder die Satzungsänderung beschlossen hatte. Damit sei unwahrscheinlich gewesen, dass der Gegenantrag eine Mehrheit bekommen hätte.

Nach der von der Rechtsprechung entwickelten Relevanztheo­rie ist davon nicht auszugehen: Ein solcher Gegenantrag kann sehr wohl die Meinungsbildung in der Mitgliederversammlung und damit das Abstimmungsergebnis beeinflussen.

Das hat zur Folge, dass die Nichtzulassung von Gegenanträgen einen Verfahrensfehler darstellt, der zur Anfechtbarkeit des Beschlusses führt.

 

Fundstelle: Amtsgericht Düsseldorf (AG), Urteil vom 23.03.2021, Az.: VR 3058