Wie grenzt man eine Zweckänderung von einer einfachen Satzungsänderung ab?

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KERNAUSSAGE DER ENTSCHEIDUNG
- Eine Zweckänderung in Abgrenzung zu einer „einfachen“ Satzungsänderung liegt nur dann vor, wenn der Kernzweck des Vereins, also die oberste Leitidee des Vereins, geändert wird.
- Wenn der Kernzweck des Vereins lediglich ergänzt wird, handelt es sich um eine einfache Satzungsänderung. Eine Zweckänderung kann daher nur unter engen Voraussetzungen vorliegen.
Um was geht es in diesem Fall?
Öfter als man denkt, taucht in der Praxis das Problem der Zweckänderung auf. Häufig geht das auf eine Forderung des Finanzamts zurück, im Rahmen der Regelungen zur Gemeinnützigkeit in der Vereinssatzung eine entsprechende Formulierung vorzunehmen.
Dabei spielt es jedoch eine erhebliche Rolle, ob man von einer eng auszulegenden Änderung des Vereinszwecks oder nur von einer einfachen Satzungsänderung auszugehen hat. Dies muss im Einzelfall genau geprüft werden, da eine Zweckänderung an hohe Hürden gebunden ist.
Wie ist die Rechtslage?
Vorgabe des § 33 Absatz 1 Satz 2 BGB
Nach § 33 Abs. 1 S. 2 ist für eine Zweckänderung die Zustimmung sämtlicher Vereinsmitglieder erforderlich, also auch derer, die nicht stimmberechtigt sind. Mitglieder, die nicht zur Mitgliederversammlung gekommen sind, können ihre Zustimmung auch im Nachhinein schriftlich erklären. Für eine einfache Satzungsänderung hingegen ist nach § 33 Abs. 1 S. 1 BGB eine Dreiviertelmehrheit beziehungsweise die Satzungsänderungsmehrheit nach der jeweiligen Vereinssatzung maßgebend.
Merke:
- Für eine Beschlussfassung über eine Zweckänderung nach § 33 Abs. 1 S. 2 BGB ist die allgemeine Satzungsänderungsmehrheit mit den in der Mitgliederversammlung abgegebenen Stimmen nicht ausreichend.
- Vielmehr ist die Zustimmung sämtlicher Vereinsmitglieder erforderlich, also auch derjenigen Mitglieder, die nicht zur Versammlung erschienen sind.
- Stimmt auch nur ein Mitglied gegen die Zweckänderung oder enthält sich ein Mitglied, ist die Zweckänderung gescheitert.
- Gerade der Finanzverwaltung sind diese hohen Anforderungen an eine Zweckänderung häufig nicht geläufig.
Wie die Praxis zeigt, ist es gerade für größere Vereine mit einer entsprechenden Mitgliederzahl aufgrund der gesetzlichen Mehrheitsanforderungen kaum möglich, eine Zweckänderung zu realisieren.
In solchen Fällen kommt es daher entscheidend darauf an, ob es sich tatsächlich um eine Zweckänderung oder vielleicht doch nur um eine einfache Satzungsänderung handelt.
Kriterien der Rechtsprechung
Zu beachten ist, dass es sich bei der Abgrenzung zwischen einer Zweckänderung und einer einfachen Satzungsänderung immer nur um einen Einzelfall handeln kann, der anhand der bestehenden Satzung und der geplanten neuen Formulierung im Einzelfall genau geprüft werden muss.
Die Rechtsprechung der letzten Jahre zu dieser Thematik enthält zahlreiche solcher Einzelfälle. Kern der Rechtsprechung ist jedoch stets, dass eine Zweckänderung nur dann vorliegt, wenn der oberste Leitsatz der Vereinstätigkeit grundlegend verändert wird und aus diesem Grund für diese Neuausrichtung des Vereins die Zustimmung sämtlicher Vereinsmitglieder erforderlich ist.
Wenn es sich dagegen nur um redaktionelle Anpassungen oder Ergänzungen handelt, liegt keine Zweckänderung vor.
Ein Anliegen der neueren Rechtsprechung ist es auch, dass sich ein Verein dem Wandel der Zeit und der Gesellschaft anpassen können muss. So muss es auch einem mitgliederstarken Verein möglich sein, den ursprünglichen Vereinszweck anzupassen.
Dass einzelne Mitglieder durch ihre Blockade die Entwicklung des Vereins massiv beeinträchtigen können, liegt dabei auf der Hand.
Hinweis: Bei der Gestaltung von Satzungen, insbesondere bei neu zu gründenden Vereinen, ist daher unbedingt darauf zu achten, dass von Anfang an von der Option nach § 40 Satz 1 BGB Gebrauch gemacht wird, und die Satzung für eine Zweckänderung eine geringere Mehrheit als die Einstimmigkeit festschreibt, um für die Zukunft solche Probleme zu umgehen.
Praxisfall:
Das nachfolgende Beispiel enthält den Fall einer Zweckänderung im Vergleich zwischen alter Satzung und der beabsichtigten Formulierung und der dazu erforderlichen Ankündigung in der Tagesordnung der Mitgliederversammlung:
Aktuelle Formulierung:
„Zweck des Vereins xy e. V. ist die Förderung und der Ausbau des X-Bades als sportliche kulturelle Einrichtung“.
Neue Formulierung:
„Zweck des Vereins ist die Förderung des Sports sowie die Erhaltung des traditionsreichen X-Bades als Kunst- und Kulturstädte in xyf“.
Tagesordnung der Mitgliederversammlung:
TOP x: Beschlussfassung über die Änderung des Zwecks des Vereins in § 2 Abs. 1 der Satzung vom TT.MM.JJJJ in neu: „Zweck des Vereins ist die Förderung des Sports sowie die Erhaltung des traditionsreichen X-Bades als Kunst- und Kulturstätte in xyf“.
TOP y: Beschlussfassung über die Neufassung der Satzung des X-Bades in xy e. V. auf der Grundlage des als Anlage beigefügten Satzungsentwurfs vom 16.06.2021. |
Hinweise für die Vorstandsarbeit
Die Vorbereitung einer Satzungsänderung, die möglicherweise eine Zweckänderung beinhaltet, muss daher im Vorfeld sehr gründlich und langfristig erledigt und abgestimmt werden.
Insbesondere, wenn es sich um Forderungen des zuständigen Finanzamts handelt, sollte dies im Vorfeld genau besprochen und abgewogen werden. Im Zweifel lohnt es sich auch, das Finanzamt von einer anderen Formulierung zu überzeugen.
So ist es häufig unter dem Blickwinkel der Gemeinnützigkeit auch möglich, eine entsprechende Formulierung im Bereich der Regelungen der sogenannten Zweckverwirklichung (§ 60 Abs. 1 AO) aufzunehmen. Diese Änderungen können mit einer einfachen Satzungsänderungsmehrheit beschlossen werden.
Fundstelle: Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf, Beschlüsse v. 19.02.2020, Az.: 3 Wx 196/19 und 28.02.2020, Az.: 3 Wx 214/19