Autor: Stefan Wagner | 24.09.2020

Wie wählt man einen Vorstand bei mehreren Kandidaten?

Immer wieder spannend ist das Thema Vorstandswahlen, vor allem dann, wenn sich (was es tatsächlich gibt!) mehrere Kandidaten für ein Amt bewerben. Das Thema Vorstandswahlen ist im Vereinsrecht nicht gesondert geregelt, sondern richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen.
Bild: Getty Images, Inc.

Bild: Getty Images, Inc.

 

Grundlage ist § 32 Abs. 1 S. 3 BGB, wonach derjenige gewählt ist, der die (einfache = absolute) Mehrheit der abgegebenen Stimmen erzielt hat. Nach der Rechtsprechung des BGH zählen dabei Enthaltungen und ungültige Stimmen nicht mit, sodass es nur auf die Ja- und Nein-Stimmen ankommt.

Gewählt ist also der Kandidat, der mehr Ja- als Nein-Stimmen erhält. Und im Vereinsrecht gilt der Grundsatz: „ein Mitglied – eine Stimme“.

 

 

 

BEISPIEL:

100 Mitglieder sind im Saal beim TOP „Wahl des 1. Vorsitzenden“ anwesend. Zur Wahl des ersten Vorsitzenden tritt nur ein Kandidat an, der folgendes Abstimmungsergebnis erzielt:

40 Ja-Stimmen

40 Nein-Stimmen

10 Enthaltungen.

Abgegeben wurden rein rechnerisch 90 Stimmen, d. h. zehn Anwesende haben sich erst einmal gar nicht an der Abstimmung beteiligt, was nicht relevant ist.

Da die Enthaltungen nicht zählen, wurden nur 80 Stimmen abgegeben (§ 32 Abs. 1 S. 3 BGB).

Der Kandidat ist damit nicht gewählt, weil er mit 40 Ja-Stimmen nicht die erforderliche einfache Mehrheit von 41 Stimmen erreicht hat. Es liegt eine Pattsituation vor, d. h. Stimmengleichheit, was Ablehnung bedeutet. 

 

Problem bei mehreren Kandidaten für ein Amt

Wenn sich mehrere Kandidaten zur Wahl für das gleiche Amt stellen, muss nach dem BGH über jeden Kandidaten einzeln abgestimmt werden. Jede Einzelwahl ist nach dem BGH dann ein Teilakt der Vorstandswahl, die dann im Ergebnis als Einheit betrachtet werden muss. Auch hier gilt, dass der Kandidat gewählt ist, der die absolute Mehrheit der Ja-Stimmen auf sich vereint.

Nicht ausreichend ist bei mehreren Kandidaten, dass derjenige gewählt ist, der relativ die meisten Stimmen erhalten hat (= relative Mehrheit).

 

BEISPIEL:

100 Mitglieder anwesend mit folgendem Ergebnis:

Kandidat A  40 Stimmen

Kandidat B 30 Stimmen

Kandidat C 20 Stimmen.

Ergibt 90 abgegebene Stimmen, sodass die einfache Mehrheit 46 Stimmen erfordert. Diese hat kein Kandidat erreicht, auch Kandidat A ist nicht gewählt, da dieser zwar relativ die meisten Stimmen erhalten hat, aber eben nicht die einfache Mehrheit.

 

Wie geht man bei einer solchen Wahl vor?

Variante 1: Man lässt über jeden Kandidaten einzeln abstimmen, wobei jedes Mitglied nur einmal mit „Ja“ stimmen kann, oder

Variante 2: man führt eine sogenannte Gesamtwahl durch, bei der die Einzelwahlgänge in einer Wahl verbunden werden, was nur bei einer geheimen Abstimmung mit Stimmkarten geht. D. h. alle Kandidaten stehen auf der Stimmkarte und das Mitglied kann nur einem Kandidaten die Ja-Stimme geben. Gewählt ist dann hier auch nur der Kandidat, der die absolute Mehrheit der Ja-Stimmen erhalten hat.

Hinweis: Dazu muss der Versammlungsleiter einen Beschluss der Mitgliederversammlung herbeiführen.

 

Fundstelle: BGH, Urteil v. 18.01.2019, Az.: V ZR 324/17