Autorin: Susanne Kowalski | 13.11.2019

Cyber-Mobbing im Verein

Mobbing ist kein unbekanntes Phänomen. Relativ neu ist aber, sich elektronischer Medien zu bedienen, um Opfer zu beleidigen, zu bedrohen oder in irgendeiner Form auszugrenzen. Die junge Erscheinungsform des Mobbens entsteht in erster Linie in sozialen Systemen, bspw. in der Schule, am Arbeitsplatz oder im Verein. Verantwortliche sollten sich der Thematik nicht verschließen, um im Ernstfall gerüstet zu sein. Letztendlich kann Cyber-Mobbing jeden treffen, den erfolgreichen, gutaussehenden Sportler genauso wie das unscheinbare Orchestermitglied.
Bild: Michael Bamberger

Bild: Michael Bamberger

 

Aus der Praxis
Es ist mittlerweile schon einige Zeit her: Im Jahr 2011 machte Cyber-Mobbing das erste Mal Schlagzeilen. Damals wurde in Berlin ein 17-Jähriger von Gleichaltrigen bewusstlos geprügelt. Der Grund: Er hatte seine Freundin vor Anfeindungen im Netz verteidigt. Das Mädchen war auf der Internetseite Isharegossip.com verleumdet worden. Die Seite gibt es heute nicht mehr - die Problematik ist jedoch nach wie vor aktuell. Noch schlimmer: Cyber-Mobbing hat bereits einige Menschen das Leben gekostet. Die Opfer wurden mit ihrer Situation nicht mehr fertig und begingen Suizid.

 

 

 

HÄUFIGE PROBLEME IM KONTEXT CYBER-MOBBING

Bagatellisieren: Cyber-Mobbing darf auf keinen Fall bagatellisiert werden. Verharmlosen ist hier nicht die richtige Strategie.

Wegsehen: Cyber-Mobbing im Verein ist keine gute Werbung und muss im Keim erstickt werden. Ignorieren macht Täter mutiger. Probleme können sich möglicherweise verstärken.

Unwissenheit: Viele Verantwortliche in sozialen Systemen haben sich noch nicht mit Cyber-Mobbing auseinandergesetzt. 

Interpretation als Privatsache: Mobbingattacken von Vereinsmitgliedern werden als „private Angelegenheit“ deklariert. Cyber-Mobbing kann das Vereinsleben negativ beeinträchtigen und das Klima vergiften.

Falscher Optimismus: „Bei uns kommt Cyber-Mobbing nicht vor.“ Da kann sich keiner sicher sein! Gerade in Vereinen, in denen Leistungsdruck herrscht, kann falsch verstandenes Konkurrenzdenken aus dem Ruder laufen.

Opfer: Betroffene sind den unterschiedlichsten Auswirkungen ausgesetzt. Dazu gehören Leistungseinbrüche, Gewaltfantasien, Rückzug, Depression, Suizidgedanken und psychosomatische Reaktionen.

Täter: Es fehlt den Tätern meistens an Unrechtsbewusstsein und Sensibilität.

 

Cyber-Mobbing: Was ist das?

Experten beschreiben Mobbing als "Form offener und/oder subtiler Gewalt gegen Personen über längere Zeit mit dem Ziel der sozialen Ausgrenzung". Beim „herkömmlichen“ Mobbing werden physisches Mobbing (körperliche Verletzung, durch z. B. Schlagen, Treten), verbales Mobbing (z. B. verletzende Spitznamen, verbale Drohungen, Beschimpfungen) und relationales Mobbing (Angreifen und Zerstören sozialer Beziehungen des Opfers (z. B. das bewusste Herausekeln, Ignorieren, Ausschließen aus sozialen Gruppen) unterschieden.

Bislang gibt es keine einheitliche Definition von Cyber-Mobbing. Cyber-Mobbing kombiniert i. d. R. verbales und relationales Mobbing und weist damit vergleichbare Tatumstände zum herkömmlichen Mobbing auf. Allerdings bedient sich Cyber-Mobbing anderer Werkzeuge, bspw. Internet, E-Mail, Online-Communities/Social Media, Messenger (z. B. WhatsApp), Video- und Fotoplattformen (z. B. YouTube). Damit ist Cyber-Mobbing unabhängig von Zeit und Ort. Opfer verlieren auf diese Weise ihren privaten Schutzraum. Sie haben keine Rückzugsmöglichkeit und sind ihren Peinigern rund um die Uhr ausgeliefert. Erschwerend kommt hinzu, dass Cyber-Mobbing häufig vor einem großen Publikum stattfindet und Mobbingattacken online von Dritten unterstützt werden können. Umfang  und Auswirkungen der Veröffentlichungen lassen sich nicht steuern. Das Internet vergisst bekanntlich nichts. Gelöschte Inhalte können immer wieder auftauchen.

Auch wenn Cyber-Mobbing häufig im Zusammenhang mit Schülern und Schülerinnen in Verbindung gebracht wird, ist es nicht auszuschließen, dass Cyber-Mobbing auch in Vereinen auftritt bzw. auftreten wird. Es ist durchaus denkbar, dass ein Einzelner oder eine Gruppe sich einen Vereinskollegen oder eine Vereinskollegin als Opfer sucht – aus Neid, Langeweile, Rache oder anderen Beweggründen. Beispiel: Die Mannschaft hat eine WhatsApp-Gruppe. Ganz bewusst wird ein Mitglied ausgegrenzt. Das Opfer bekommt nicht mit, dass ein Termin verschoben wurde, darf nicht an gemeinsamen Freizeitaktivitäten teilnehmen. Es werden böse Gerüchte gestreut, ein unvorteilhaftes Video wird im Netz veröffentlicht oder gar ein Foto böse manipuliert. Häufig nimmt die Schwere der Demütigungen schleichend zu.

 

Die Täter

Die Hemmschwelle der Täter ist beim Cyber-Mobbing niedriger als beim herkömmlichen Mobbing und kann zum Teil anonym erfolgen. Was sich manch einer in der realen Welt nicht traut, wird in der virtuellen Welt umgesetzt. Dort erscheint es einfacher, andere zu beleidigen oder bloßzustellen. Die Grenze von einer „Neckerei“ zum Mobbing wird teilweise unbewusst überschritten. Die Täter sind sich der Tragweite ihres Handelns oft nicht bewusst. Es fehlt ihnen an Einfühlungsvermögen und Mitleid für das gepeinigte Opfer. Sie suchen gnadenlos nach „der hässlichsten Vereinsschlampe, dem dümmsten Looser“, beschimpfen Opfer öffentlich als „Hurensohn und Bitch“, verbreiten Gerüchte, fordern zu Hetzjagden auf. Ihre Motive sind unterschiedlich, man ist der Meinung, die gemobbte Person habe es verdient. Andere haben Ärger mit dem Opfer oder mobben nur so zum „Spaß“. Rache, schlechte Laune oder Langeweile sind ebenso Gründe wie Gruppenzwang.

Die Technik spielt den Tätern in die Hände. Bereits mit einfachen Mitteln (Smartphone) besteht die Möglichkeit, erniedrigende Bilder oder Videos aufzunehmen und diese im Netz zu veröffentlichen.

 

Die Plattformen 

Häufig verwendete Cyber-Mobbing-Plattformen sind u. a. der Messenger WhatsApp, Facebook, SnapChat, Tellonym oder E-Mail. Wer im Netz gemobbt wird, hat in Abhängigkeit vom Betreiber der Plattform unterschiedliche Möglichkeiten, sich zu wehren, etwa Täter zu melden oder Kontakte zu blockieren. Was wie möglich ist und wie das auf den einzelnen Plattformen funktioniert, wird in der Regel im Netz beschrieben.

 

Reaktion im Ernstfall

Im Idealfall kommt es erst gar nicht zu Mobbing. Aber nicht immer läuft es im Vereinsleben rund. Mobbing ist für Opfer oft sehr demütigend. In keinem Fall darf schützend die Hand über Täter gehalten werden, egal, wie hoch deren Verdienste sind. Jedem Anzeichen auf diskriminierendes Verhalten sollte nachgegangen werden. Der falsche Weg ist auch, Cyber-Mobbing zu bagatellisieren: „Das war nicht so gemeint.“ Täter müssen mit den Vorwürfen konfrontiert werden und es muss deutlich werden, dass das Verhalten im Verein nicht geduldet wird. Man kann zwar versuchen, Opfer und Täter an einen Tisch zu bringen und zu vermitteln. Allerdings fehlt es den Vereinsverantwortlichen häufig an entsprechender Erfahrung.

Cyber-Mobbing ist zudem kein Kavaliersdelikt und sollte je nach Schwere bei der Polizei zur Anzeige gebracht werden. Nur so kann man auf Dauer den Tätern das Handwerk legen. Dabei empfiehlt es sich, Beweise zu sichern. In diesem Zusammenhang sollte der Verlauf des Cyber-Mobbings, z. B. durch Screenshots, dokumentiert werden.

Um Fällen von Cyber-Mobbing nachzugehen, sind die nachfolgenden Fragestellungen hilfreich:

  • Was ist konkret vorgefallen?
  • Welche Personen sind beteiligt (Opfer, Täter, ggf. Zeugen)?
  • In welcher Beziehung stehen Opfer und Täter?
  • Wann wurde gemobbt bzw. seit wann wurde gemobbt?
  • Wie häufig wurde gemobbt?
  • Wie, in welcher Form wurde gemobbt (z. B. Beleidigung, Nötigung, Drohung, üble Nachrede, Nachstellung, Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildmaterial, Erpressung)?
  • Wie und wo wurden der Text, das Bild, das Video ggf. veröffentlicht? Welche Werkzeuge/Plattformen wurden vom Täter/den Tätern eingesetzt?
  • Wurden Beweise gesichert? Wenn ja, welche?

HINWEIS

Unter Umständen ist zu prüfen, ob Täter aus dem Verein ausgeschlossen werden können.

 

Gesetzeslage

Cyber-Mobbing wird vom Gesetzgeber nicht direkt bestraft. Das bedeutet, Cyber-Mobbing ist keine eigene Straftat, kann aber  Handlungen, die gegen das Gesetz verstoßen, beinhalten. Das heißt, Täter kommen im Ernstfall nicht ungestraft davon. In den meisten Fällen greift das Strafgesetzbuch. Gegen folgende Gesetze und Paragrafen kann Cyber-Mobbing verstoßen:

  • § 185 Strafgesetzbuch: Beleidigung
  • § 186 Strafgesetzbuch: Üble Nachrede
  • § 187 Strafgesetzbuch: Verleumdung
  • § 238 Strafgesetzbuch: Nachstellung
  • § 201 Strafgesetzbuch: Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes
  • § 201a Strafgesetzbuch: Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen
  • §§ 240, 241 Strafgesetzbuch: Nötigung und Bedrohung
  • § 22 KunstUrhG: Recht am eigenen Bild.

 

Unterstützungsangebote im Internet

Es gibt verschiedene Unterstützungsangebote im Internet. Hilfreich sind u. a. folgende Adressen:

HINWEIS

Hilfsangebote für Opfer sind außerdem die örtliche Polizei, die Telefonseelsorge oder das Opfer-Telefon des Weißen Rings (bundesweite Rufnummer: 116 006).