Autor: Stefan Wagner | 13.01.2022

Haftung von Übungsleitern bei unterlassenen Erste-Hilfe-Maßnahmen

Kernaussage der Entscheidung: Übungsleiter können bei pflichtwidrig unterlassenen Erste-Hilfe-Maßnahmen bei einem Vereinstraining persönlich haften, wenn dabei ein Teilnehmer zu Schaden kommt. Gleiches gilt für die Haftung des Veranstalters der Trainingsmaßnahme.

Bild: Fotolia
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Um was geht es in diesem Fall?

Ein Landesverband führte ein Kadertraining durch, bei dem der geschädigte 15-jährige Sportler teilnahm. Das Training wurde von zwei Trainern geleitet, die im Besitz der B- Lizenz waren.

Zu Beginn des Trainings fand ein Aufwärmtraining statt, bei dem unter anderem auch ein Schnelligkeitstraining mit Sprints durchgeführt wurde. Dabei brach der Spieler mit einem Herzkreislaufstillstand zusammen und verlor das Bewusstsein. Einer der Trainer legte den Spieler in eine stabile Seitenlage. Wiederbelebungsmaßnahmen wurden nicht durchgeführt. Die weiteren Einzelheiten zum Verlauf sind zum Teil unklar. Der Notarzt wurde alarmiert und stellte beim Eintreffen fest, dass der Spieler keinen Puls mehr hatte. Die Reanimation war jedoch erfolgreich.

 

 

Aufgrund des Herzkreislaufstillstands erlitt der Spieler eine schwere Hirnschädigung und ist seitdem voll pflegebedürftig. Der Spieler klagte gegen den Verband und die Trainer auf Schadensersatz und Schmerzensgeld. Die Berufungsinstanz hatte die Haftung der Beklagten verneint.

 

Wie ist die Rechtslage?

Der BGH kam zu einem grundlegend anderen Ergebnis hinsichtlich der Haftung des veranstaltenden Verbandes und der beiden Trainer und verwies das Verfahren zur weiteren Feststellung des Sachverhalts und der Einzelheiten an die Vorinstanz zurück.

Der BGH hat klargestellt, dass eine schuldhafte Verletzung der Fürsorgepflicht des Verbandes und der beiden Trainer im Rahmen des Kadertrainings durchaus in Betracht kommt und hat dargelegt, dass die Vorinstanzen den erforderlichen Sorgfalts- und Haftungsmaßstab des Zivilrechts falsch angewendet haben.

 

Haftung des Verbandes

Zwischen dem 15-jährigen Kläger des Verfahrens und dem Verband als Veranstalter des Kadertrainings war nach Auffassung des BGH ein Vertragsverhältnis in Form eines „Trainingsvertrages“ zustande gekommen. Der BGH spricht hier von einem besonderen Vertragsverhältnis im Sinne von § 311 Abs. 2 und 3 BGB. Insofern lag zwischen den beiden Vertragspartnern kein reines Gefälligkeitsverhältnis vor. Der Verband hatte vielmehr als Veranstalter nach § 241 Abs. 2 BGB gegenüber dem teilnehmenden Sportler bestimmte Pflichten zu erfüllen. Daraus ergibt sich auch die Haftung des Verbandes bei Pflichtverletzungen, wenn insoweit dem Verband ein Verschulden vorgeworfen werden kann (§§ 280, 276 BGB). Des Weiteren stellte der BGH klar, dass sich der Verband, selbst dann, wenn ihn kein eigenes Verschulden bei der Organisation des Kadertrainings treffen sollte, ein Fehlverhalten der beiden von ihm eingesetzten Trainer zurechnen lassen muss. Zwischen dem Verband und den beiden Trainern bestand ein entsprechendes Vertragsverhältnis, sodass die Trainer als Erfüllungsgehilfen des Verbandes anzusehen sind (§ 278 BGB).

 

Haftung der Trainer

Während des Trainings oblag den beiden Trainern die Fürsorge- und Aufsichtspflicht gegenüber dem 15-jährigen Spieler, die ihnen vom Verband übertragen worden war (§ 832 Abs. 2 BGB). Die beiden Trainer waren daher im Rahmen der vertraglich übernommenen Aufsichtspflicht verpflichtet, alle erdenklichen Maßnahmen zu ergreifen, damit der Spieler nicht zu Schaden kommt.

Ein Verschulden sah der BGH darin, dass die Trainer keine ausreichenden Maßnahmen (Reanimation) eingeleitet und den Notarzt zu spät alarmiert hatten. Die Grenze zur Fahrlässigkeit nach § 276 Abs. 2 BGB war daher nach Auffassung des BGH überschritten.

Um hier die näheren Umstände festzustellen, hat der BGH das Verfahren an die Vorinstanz zurückverwiesen, sodass noch keine endgültige Entscheidung getroffen werden konnte.

 

Hinweis für die Vorstandsarbeit

Vereine und Verbände müssen bei ihrem Sport- und Wettkampfbetrieb sicherstellen, dass die eingesetzten Trainer, Übungsleiter und das Funktionspersonal ausreichend ausgebildet sind, um Erste-Hilfe-Maßnahmen leisten zu können.

Zwar sind diese Anforderungen – auch nach Auffassung des BGH – nicht so hoch anzusetzen wie bei ausgebildeten Rettungssanitätern. Es müssen allerdings in dieser konkreten Situation mehr Kenntnisse vorliegen, als dies von einem Ersthelfer bei einem Unglücksfall erwartet wird, der zufällig an einen Unfallort kommt.

Hat der Verein nicht sichergestellt, dass das Personal ausreichend ausgebildet und einsatzbereit ist, kann er für diese Versäumnisse haften. Je nach Veranstaltung muss daher stets geprüft und sichergestellt werden, dass eine ausreichende Sach- und Personalausstattung vor Ort vorhanden und einsatzbereit ist. Dies hängt natürlich im Einzelfall von der Art der Veranstaltung und insbesondere der Teilnehmer ab. Im Einzelfall und je nach Art der Veranstaltung muss daher auch geprüft werden, ob der Rettungsdienst oder auch ein Notarzt während der Veranstaltung anwesend sein müsste.

Bereits in seiner parallelen Entscheidung vom 04.04.2019 hatte der BGH (Az.: III ZR 35/18) für den Bereich des Schulsports entschieden, dass ein Fall der unterlassenen (strafbaren) Hilfeleistung vorliegen könnte, wenn ein verantwortlicher Sportlehrer oder Trainer keine sogenannte „Laienreanimation“ durchführt.

Jeder Verein und Verband sollte daher sicherstellen, dass durch geeignete Ausbildungsmaßnahmen das von ihm eingesetzte Personal bei Veranstaltungen zu solchen Hilfsmaßnahmen so lange in der Lage ist, bis der Rettungsdienst oder Notarzt eintrifft.

 

Fundstelle: Bundesgerichtshof (BGH) Urteil v. 19.01.2021, Az.: VI ZR 188/17